2025
Der Abriss von Brücken bleibt leider ein Schwerpunkthema für den Denkmalverein. Dabei geht es immer wieder auch um historische Eisenbahnbrücken, die das Stadtbild in ihrer Umgebung prägen. Neben dem bevorstehenden Verlust der Süderelbbrücke und dem wohl nicht mehr aufzuhaltenden Abriss der Sternbrücke sollen nun auch noch die Brücken am Anckelmannsplatz einem modernistischen Neubau weichen. Der für die Brücken bestehende Denkmalschutz wurde aufgehoben.
Die beiden Brücken am Anckelmannsplatz wurden 1903 und 1905 erbaut. Sie besitzen eine für ihre Zeit sehr fortschrittliche Konstruktion aus sogenannten Vollwandträgern. Mit den aufwendig gestalteten Widerlagern aus Backstein und Naturstein (wie Basaltlava oder rotem Porphyr) prägen sie den umliegenden Stadtraum. Auf den beiden Brücken liegen insgesamt vier Bahngleise, davon zwei Gleise für den S-Bahn-Verkehr und zwei Gleise für den Fern- und Regionalverkehr. Gerade weil der Stadtteil Hammerbrook im Zweiten Weltkrieg stark zerstört wurde, bilden die beiden Brücken wichtige historische Anker, deren Verlust daher besonders schmerzen wird.
Mit dem Abriss wird Hamburg zudem seine erste Brücke mit eingebautem „Speisewagen“ verlieren. Wer in der Nähe der beiden Brücken arbeitet, kennt vielleicht noch den guten und günstigen Mittagstisch im Bistro „Speisewagen“, das in einem der Widerlager der beiden Brücken untergebracht war. Das gemütliche, einem Speisewagen nachempfundene Ambiente sorgte in der Mittagspause für einen kurzen Ausflug in eine andere Welt. Sucht man den „Speisewagen“ heute bei Google maps, steht dort im Eintrag des Bistros nur noch: „dauerhaft geschlossen“. Dass ausgerechnet diese beiden Eisenbahnbrücken die Luftangriffe auf den Stadtteil Hammerbrook im Zweiten Weltkrieg überstanden haben, kann man baugeschichtlich nur als kleines Wunder bezeichnen. Die Deutsche Bahn möchte die Brücken am Anckelmannsplatz nun jedoch abreißen und durch einen modernistischen Neubau ersetzen.
Die Deutsche Bahn begründete dies bei Vorstellung der Planung im Jahr 2022 damit, dass die Brücken 116 Jahre alt seien und damit das Ende ihrer technischen Nutzungsdauer erreicht hätten. Zu der Frage, ob die Brücken saniert und erhalten werden könnten, fasst sich die Bahn denkbar kurz: Eine Sanierung sei gutachterlich untersucht und verworfen worden. Diese „käme einem Neubau gleich“ und stelle „immer nur eine Zwischenlösung dar“. Mit diesem nicht sehr überzeugend klingenden Argument ließe sich wohl der Abbruch jeder historischen Brücke begründen. Um ein - zugegebenermaßen anders konstruiertes - Gegenbeispiel zu nennen: Die Römerbrücke über die Mosel in Trier wurde im Jahr 150 n. Chr. fertig gestellt und ist heute, 1.875 Jahre später, noch immer in Betrieb. Hat sie zwischenzeitlich „das Ende ihre technischen Nutzungsdauer“ erreicht? Bestimmt. Haben die zur Erhaltung der Römerbrücke vorgenommenen Sanierungen den Umfang erreicht, der „einem Neubau gleichkäme“? Sicherlich. Wäre dies ein guter Grund für den Abriss der Römerbrücke? Wohl kaum. Hamburg droht, leider, seine historischen Eisenbahnbrücken Stück für Stück zu verlieren, solange die Bahn bei dieser Argumentation bleibt.
Fotos: Martin Kunze