Zwischen 1976 und 1993 erbaut prägen die Süderelbbrücken die Elbufer zwischen Wilhelmsburg und Harburg. Wegen Konstruktionsfehlern ist die denkmalwürdige Konstruktion an diversen Stellen korrodiert und nicht mehr tragfähig und wird daher voraussichtlich ab 2028 durch einen Neubau ersetzt.

Wer den Finkenrieker Hauptdeich auf Höhe des König-Georg-Wegs erklimmt, staunt nicht schlecht: Unterhalb des Deiches findet sich unerwartet ein kleines Elbstrand-Idyll. Eine Familie mit kleinen Kindern, die im Sand spielen, etwas abseits ein junger Herr mit Akustikgitarre. Und dann macht auch schon die Süderelbbrücke mit einem deutlich vernehmbaren Rumpeln auf sich aufmerksam. Unaufgeregt, aber mit markanter Geometrie und in fröhlichem Hellblau verbindet die Süderelbbrücke Harburg mit dem Hamburger Zentrum. Nicht nur die S-Bahnen der Linien S 3 und S31 verkehren über diese Eisenbahnbrücke, sondern auch der gesamte Nah- und Fernverkehr der Deutschen Bahn aus dem Süden nach Hamburg und zurück.

Rund 1000 Züge pro Tag rollen über die Brücke - eine ganz schöne Belastung, die mit der Zeit ihre Spuren hinterlassen hat. Bereits 2018 ist die Deutsche Bahn zu der Einschätzung gekommen, dass der technische Zustand der Brücke einen Neubau notwendig mache. Schuld daran seien konstruktive Mängel, die bereits beim Bau der Brücke im Jahr 1978 entstanden seien. In einer zeitgenössischen Filmdokumentation über den Bau der Brücke verkündete die Bahn noch stolz, „bei Planung und Konstruktion wurden die modernsten Arbeitsmethoden und -Geräte verwendet.“ „Sogar Computer halfen beim Konstruieren“, nimmt man aus heutiger Sicht amüsiert zur Kenntnis.

Die erste Süderelbbrücke entstand im Jahr 1872 und wurde 1912 erweitert. Beim Bau der heutigen Süderelbbrücken enstanden in den Jahren 1976 und 1980 zunächst die ersten drei sogenannten „Brückenzüge". Dabei war die Brücke ein Unikat, denn erstmals wurde für eine Eisenbahnbrücke eine Mittelträger-Konstruktion gewählt: Links und rechts von einem Hauptträger liegt jeweils ein Bahngleis. So besteht die Brücke aus drei (weitgehend baugleichen) Brücken mit je vier Überbauten, von denen jeder einen Mittelträger hat. Ein vierter Brückenzug für den Hafengüterverkehr sollte ursprünglich ebenfalls als Mittelträger-Konstruktion hinzugefügt werden, entstand dann aber 1993 aus Kostengründen als konventioneller Fachwerkkasten (Quelle "Die Stadt und das Auto", S. 176 f.).

Die zur Bauzeit als innovativ geltende Mittelträger-Konstruktion soll der Brücke nun zum Verhängnis werden, weil Mittelträger- oder auch Hängebrücken für den Eisenbahnverkehr mit hohen Lasten zu weich sind. Die Brücke schwankt nämlich bei Lastwechseln leicht und bewegt sich dabei vertikal um bis zu 11 Zentimeter. Der Anstrich der Brücke war dafür nicht flexibel genug und platzte auf, Korrosionsschäden waren die Folge. Man hat dieses Konzept bei der Süderelbbrücke quasi ausprobiert und ist gescheitert. Derartige "Fehler" durchziehen die gesamte Baugeschichte.

So sieht es dann nicht gut aus für die Süderelbbrücke. Die Deutsche Bahn hat aus zwölf Entwürfen bereits einen für den Neubau der Eisenbahnbrücke ausgewählt. Der Baustart ist schon für 2028 vorgesehen, 2036 soll die neue Eisenbahnbrücke fertiggestellt sein. Kostenpunkt: Voraussichtlich 800 Millionen Euro, mit einem Vorbehalt für steigenden Baukosten, insbesondere beim Baumaterial. Es dürfte also noch deutlich teurer werden. Damit der Zugverkehr auf dieser wichtigen Nord-Süd-Verbindung während der Bauarbeiten nicht zum Erliegen kommt, plant die Bahn, Umfahrungen zu bauen. Und kündigt für die Bauarbeiten erheblichen Platzbedarf an: Mehrere Kranstandorte und eine Fläche für das Baumaterial würden benötigt, nördliche und südliche Gleise für die Logistik, auch eine Baustellenzufahrt. Dafür sollen bis zum Planfeststellungsverfahren noch „einige Grundstücke erworben werden.“

Was das alles für die Großstadt-romantischen Sonnenuntergänge am kleinen Elbstrand am Finkenrieker Hauptdeich bedeutet? Man weiß es nicht. Wer einen Besuch vorhat, sollte dort vielleicht lieber früher als später einmal vorbeischauen.

Bei den hohen Kosten und dem großen Aufwand für den Neubau stellt sich schon die Frage, ob ein Erhalt des 70er-Jahre-Bauwerks nicht doch zumindest in Teilen möglich wäre. Wurden die Kosten für eine Instandsetzung und Erhaltung der alten Brücke ermittelt und mit dem Neubau verglichen? Und wie will die Bahn sicherstellen, dass auch das neue Brückenbauwerk nicht in nur 40 Jahren wieder zur Disposition steht?

Aus ingenieurbaugeschichtlichen Gründen erscheint die Brücke jedenfalls erhaltungswürdig, weil sie die erste Eisenbahnbrücke mit Mittelträger-Konstruktion ist und die zugleich letzte, die noch genietet wurde. Das Denkmalschutzamt hat sich dennoch aufgrund der fortgeschrittenen Bauschäden und der Aussichtslosigkeit einer Instandsetzung gegen eine Unterschutzstellung entschieden. Ein leiser Trost vielleicht: Das Thema Fachwerkbrückenbau nach 1960 ist zumindest mit der Bill-Oberhafenbrücke aus den Jahren 1980/81 in der Denkmalliste vertreten.

Historische Fotos: Gustav Hille / Sammlung Sven Bardua
Aktuelle Fotos: Knut Segebarth, Kristina Sassenscheidt