Das historische Kutscherhaus an der Stellinger Chaussee 34a in Lokstedt ist vom Abriss bedroht: Der Bezirksversammlung Eimsbüttel will es für eine Erweiterung der Grünfläche östlich des Amsinckparks abreißen. Leider steht es nicht unter Denkmalschutz, obwohl es vom Rathaus-Baumeister Martin Haller stammt.

Geschichte

Das zweistöckige Gebäude aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert liegt gut versteckt am Ende eines Privatweges. Es gehörte ursprünglich zu einem großen Anwesen mit einer Villa der Kaufmannsfamilie Amsinck, dessen Reste den heutigen Amsinckpark bilden. Die "Amsinck-Villa", von keinem geringeren als dem Hamburger Rathausarchitekten Martin Haller entworfen, beherbergt heute eine Kita der Rudolf-Ballin-Stiftung. Villa und Kutscherhaus sind mittlerweile durch später errichtete Gebäude und Sportplätze voneinander getrennt, wodurch der geschichtliche Zusammenhang nicht sofort erkennbar ist.

Die erste Tochter von Wilhelm Amsinck, Emily-Henriette, heiratete 1877 den späteren Hamburger Bürgermeister, Dr. Johannes Heinrich Burchard. Als Geschenk von ihrem Vater bekam sie ein eigenes langes, schmales Parkgrundstück an der Stellinger Chaussee, unmittelbar neben dem Kutscherhaus. Hier, an der Stellinger Chaussee 34b, ließ Wilhelm Amsinck eine weitere Villa errichten, die ebenfalls von Haller entworfen wurde. Johannes Heinrich Burchard war 1903 bis 1912 Erster Bürgermeister der Hansestadt, und in dieser Zeit war der deutsche Kaiser Wilhelm II. mehrfach zu Gast in dieser "Villa Burchard". Im Zweiten Weltkrieg wurde sie leider bis auf das Erdgeschoss zerstört. Der klägliche Rest wurde anschließend wieder instandgesetzt und mit einem neuen Dach versehen und ist seitdem bewohnt.

Im heute noch bestehenden Kutscherhaus der ehemaligen Villa, das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ebenfalls von Martin Haller entworfen wurde, lebten ursprünglich der Kutscher und der Stallbursche. Sie bewohnten jeweils eine Kammer im Obergeschoss. Neben dem Haupthaus gibt es eine garagenähnliche Remise mit zwei großen Flügeltoren, in der Kutschen und möglicherweise auch Pferde untergebracht wurden.

Bis heute erhalten sind die Trensenhalter aus Holz an der Fassade des Kutscherhauses und die Ringe an Löwenmäulern, an denen die Pferde festgemacht wurden. Später wurde das Parterre in eine Wohnung umgewandelt. Trotz seines berühmten Baumeisters hat das Denkmalschutzamt das Kutscherhaus leider nicht unter Schutz gestellt.

Aktuelle Situation

Infolge eines Wasserschadens wollte die damalige Eigentümerin SAGA das bis 2017 als Wohnhaus vermietete Gebäude verkaufen. Zu diesem Zeitpunkt stand das Kutscherhaus selbst zwar nicht unter Denkmal-, wohl aber unter Bestandsschutz, wodurch weder ein Ersatzneubau noch eine weitere Bebauung des Grundstücks möglich waren. Am Ende ging das Kutscherhaus auf den Bezirk Eimsbüttel über. Das Gebäude steht seit 2017 leer, sein baulicher Zustand bei einer Besichtigung im Jahr 2020 war jedoch gut, und es gab keine wesentlichen Schäden.

Jetzt allerdings droht der Abriss: Das Bezirksamt Eimsbüttel vertritt die Ansicht, dass sich niemand für eine öffentliche Nutzung des Gebäudes in der geplanten Parkanlage interessiere und dass die Erhaltung des Gebäudes aufgrund des Wasserschadens nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll sei.

Ganz anders sieht das hingegen der Verein für die Geschichte von Lokstedt, Niendorf und Schnelsen "Forum Kollau", der sich seit mehreren Jahren für den Erhalt engagiert. Sein Vorsitzender Joerg Kilian schlägt vor, aus dem Kutscherhaus einen kulturellen Ort zu machen, zum Beispiel eine außerschulische Bildungsstätte mit Workshops, Vorträgen oder Ausstellungen zur Geschichte Eimsbüttels, so wie es der Stadtparkverein im ehemaligen "Sierichschen Forsthaus im Stadtpark" erfolgreich umsetzt.

Der Denkmalverein unterstützt diese Vision und plädiert dringend dafür, dieses bauliche Zeugnis der Eimsbütteler Geschichte zu sanieren und einer für den Stadtteil sinnvollen Nutzung zuzuführen. Gerade die nördlichen Hamburger Stadtteile wie Stellingen und Lokstedt haben durch den Krieg und die Planungen der Nachkriegszeit sehr viel von ihren historischen Gebäude verloren. Das steigert den Wert selbst eines so kleinen Objekts, zumal von der früheren Landhauskultur Eimsbüttels kaum noch Zeugnisse erhalten sind.

Foto-Montage Übersicht: Joerg Kilian
Fotos: Christina Pohl, Herwyn Ehlers, Joerg Kilian