23.11.2022

Initiiert von der Patriotischen Gesellschaft von 1765 und gemeinsam mit dem Verein Tempelforum e.V. hat der Denkmalverein alle interessierten Hamburgerinnen und Hamburger eingeladen zu einer Diskussion im Reimarus-Saal der Patriotischen Gesellschaft. Dabei ging es um den aktuellen Zustand, die denkmalpflegerischen Planungen und die Perspektiven für den denkmalgeschützten, ehemaligen Tempel in der Poolstraße, der als erster liberaler jüdischer Synagogenbau eine besondere Bedeutung nicht nur in Hamburg, sondern in der gesamten liberalen jüdischen Welt hat.

Der 1817 gegründete Neue Israelitische Tempel-Verein in Hamburg war eine der ersten reformjüdischen Gemeinden der Welt. 1842 legte er in der Poolstraße den Grundstein des Tempels, der von 1844 bis zum Umzug der Gemeinde in die Oberstraße 1931 ununterbrochen genutzt und 1943/44 durch Bombentreffer schwer beschädigt wurde. Die baulichen Reste des Tempels wurden nach jahrzehntelangem Verfall 2020 von der Stadt Hamburg gekauft und sollen denkmalgerecht saniert werden.

Nach einer Begrüßung durch Dr. Willfried Maier (1. Vorsitzender der Patriotischen Gesellschaft von 1765) führte Dr. Ingrid Nümann-Seidewinkel (Mitglied des Beirats der Patriotischen Gesellschaft), in die Bau- und Nutzungsgeschichte des Tempels ein. Anschließend erläuterte Prof. Michael Albert Meyer aus Cincinnati in einem Video-Einspieler eindrucksvoll die herausragende religionsgeschichtliche Bedeutung des Tempels für das liberale Judentum weltweit. Danach begann die von Ingrid Nümann-Seidewinkel moderierte Podiumsdiskussion.

Eike Steinig (2. Vorsitzender des Israelitischen Tempelverbands zu Hamburg von 1817) kritisierte den Umgang mit den liberalen jüdischen Stätten allgemein und die fehlende Zugänglichkeit des Tempels. Alexandra Mertens vom Architekturbüro acollage berichtete im Namen des Vereins Tempelforum e.V. von den bisherigen Ideen und Aktivitäten des Vereins. Lennart Hellberg (Vorsitzender des Denkmalvereins) erläuterte ausführlich den bedauernswerten baulichen Zustand der Tempelreste und forderte eine zeitnahe Untersuchung und Notsicherung insbesondere des Apsisbereichs. Hon.-Prof. Anna Katharina Zülch (Vorsitzende des Hamburger Denkmalrats) erklärte, welche Bedeutung der Tempel auch in den Augen des Denkmalrates habe. Dr. Anna Joss (Leiterin des Denkmalschutzamtes) berichtete, dass das Denkmalschutzamt aktuell ein Konzept zur Untersuchung und Sicherung der Tempelreste vorbereite.

Anschließend diskutierte das Publikum sehr lebhaft und auch kontrovers. Dabei wurde scharf kritisiert, dass die Verwaltung den Verfall bis heute nicht aufgehalten hat und die Stadt Hamburg fast zwei Jahre nach dem Ankauf des Tempels immer noch keinen Fahrplan für den weitere Planungsprozess vorgelegt hat. Der Tempel wurde in seiner religionsgeschichtlichen Bedeutung verglichen mit der Schlosskirche Wittenberg für die Evangelische Kirche, und es wurde eine Einbindung von Bundespolitik und internationaler Öffentlichkeit gefordert. Unter Bezugnahme den geplanten Wiederaufbau der Synagoge am Bornplatz für 225 Millionen Euro wurde gefragt, warum auf der anderen Seite das Engagement der Stadt Hamburg für diese original erhaltenen Synagogenreste so gering ausgeprägt scheint. Es wurden Forderungen laut, dass die Stadt das Gelände des ehemaligen Tempels nicht wieder privatisieren dürfe und dass dort auch nicht um jeden Preis neue Wohnungen geschaffen werden dürften. Die Veranstaltung im voll besetzten Saal machte deutlich, wie vielen Menschen die Zukunft des ehemaligen Tempels am Herzen liegt und wie wichtig seine zeitnahe Sicherung und eine der Geschichte des Ortes angemessene Nutzung ist.

Fotos: Kristina Sassenscheidt