2022

Im Sommer 2022 wurde die sogenannte Gänsemarktpassage mit ihrer markanten grünen Glasfassade für einen Neubau abgerissen. Hamburg hat damit eine langjährige Traditionspassage verloren, vor allem aber ein Zeugnis der postmodernen Architektursprache.

Der Gänsemarkt ist seit dem 17. Jahrhundert ein prägender Platz und Verkehrsknotenpunkt im Zentrum der Hamburger Innenstadt. Etwa auf dem heutigen Standort der Gänsemarktpassage stand zuvor das Hamburger Nationaltheater. Das Lessing-Denkmal in der Mitte des Gänsemarktes verweist noch heute auf dessen dramaturgischen Leiter.

Die Gänsemarktpassage war Ende der 1970er Jahre nach einem Entwurf der Architekten Graaf, Schweger und Partner errichtet worden. Das mit tannengrünen Glasflächen verkleidete Gebäude war eine bekannte Shoppingpassage mit Geschäften und Cafés und bildete zugleich eine Fußgängerverbindung vom Gänsemarkt zu den Colonnaden. Anlaufpunkt war die Shoppingpassage in Alsternähe zuletzt vor allem wegen der „Block House“-Filiale im ersten Stock, die lange als umsatzstärkster Standort der Steakhause-Kette galt. Schon vor Corona begannen jedoch die Umsätze der Passage zu sinken - laut Henry Leins, Geschäftsführer des Unternehmens Klockmann, ein „Sterben auf Raten“. Einer der Hauptgründe war der allgemeine Aufstieg des Online-Shoppings.

Architektonisch und baugeschichtlich hatte das Bauwerk einen großen Wert. Die Fassade war geprägt durch Vor- und Rücksprünge, Erker und einen Arkadengang. Viele Attribute postmoderner Architektur waren hier vereint, wie die Nutzung geometrischer Grundkörper und eine Art "Kulissenhaftigkeit" als Ausdruck von Ironie und Fragilität. Dabei ist speziell die Hamburger Postmoderne eher pragmatisch und schließt an lokale Bautraditionen an. Von üppigem Formen- und Materialreichtum oder von erzählerischem Überschwang wie in anderen Städten ist wenig zu spüren.

Der Denkmalverein sieht den Abriss der Passage aus zwei Gründen kritisch:
Zum einen ist es aus ökologischer Sicht in der Regel am sinnvollsten, funktionsfähige Gebäude zu erhalten, zu sanieren und weiterzubauen, um die in ihnen enthaltene "Graue Energie" nicht zu verschwenden. Ein Großteil der 50jährigen Passage bestand aus Glas und Stahl, die besonders energieintensiv in ihrer Herstellung sind, weitere Energie wurde für Abriss und Neubau verwendet. Der Bausektor besitzt eine Schlüsselrolle für den Klimaschutz, aber hat seine Ziele in der CO2-Einsparung bislang vollständig verfehlt.
Zum anderen war dieses Gebäude ein hervorragendes Zeugnis postmoderner Architektur in Hamburg, von der bereits viele Beispiele überformt oder abgerissen wurden. Die noch bestehenden qualitätvollen Bauwerke verdienen daher eine besondere Wertschätzung, Schutz und Pflege.

Fotos: Fotografie Dorfmüller Klier, Lea Mork, Häuser / Deutsches Architekturforum