Der Freihafen-Elbbrücke, die den Autoverkehr über die Elbe leitet, droht seit Jahren ein partieller Abriss, und ihre Sanierung wird immer weiter verschoben. 2022 wurde außerdem bekannt, dass die Deutsche Bahn auch die danebenliegende Norderelbbrücke abreißen will, über die der Zugverkehr führt. Die beiden denkmalgeschützten Brücken bilden ein Ensemble, das insgesamt aus vier Brückenkonstruktionen besteht und aus technischen, verkehrlichen und städtebaulichen Gründen nationale historische Bedeutung besitzt. Zugleich gilt die Straßen- und Schienenverbindung Richtung Süden als Nadelöhr und muss laut Verkehrsbehörde ausgebaut werden - es droht hier also auch ein Interessenskonflikt zwischen Denkmalschutz und Verkehrsplanung.
Freihafen-Elbbrücke
Die westlich liegende Freihafen-Elbbrücke wurde 1926 errichtet und ist einzigartig in ihrer besonderen Konstruktion (Fachwerkbogenträger mit Zugband, sogenannte „Deutsche Bögen“, mit zwei Geschossen). Für die Brücke wurde eine besonders gute Stahlqualität verwendet, zudem soll die Konstruktion noch große, ungenutzte statische Potentiale besitzen. Der Experte für historische Stahlkonstruktionen, Werner Lorenz von der TU Cottbus, hat daher in einem Gutachten von 2018 festgestellt, dass die Brücke vollständig erhalten werden könnte.
Dennoch plant die Verkehrsbehörde bis heute einen Teilabriss: So soll die bedeutende Unterkonstruktion ebenso wie die Fahrbahn ersetzt werden, und es sollen nur die beiden äußeren Brückenbögen ab einer Höhe von 1,5 m oberhalb der Fahrbahn erhalten werden. In einer Pressekonferenz im September 2021 kündigte die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende zudem an, dass sie die anstehende Sanierung der Freihafen-Elbbrücke noch einmal verschieben wird, um eine mögliche weitere Brücke bauen zu können. Ob die historische Brücke zu einem späteren Zeitpunkt an derselben Stelle bleiben, ja ob sie überhaupt saniert werden soll, ist bislang laut Behörde nicht entschieden. Die vorgestellten Studien zeigen jedoch schon, dass die geplante Kapazitätserweiterung sich nicht mit dem aktuellen Standort der denkmalgeschützten Brücke vereinbaren lässt (siehe Bildergalerie).
Der Denkmalverein erwartet, dass die Freie und Hansestadt Hamburg dieses wichtige technische Denkmal vorbildhaft saniert. Dazu ist sie auch laut dem ersten Paragrafen ihres Denkmalschutzgesetzes verpflichtet, der ihr eine Vorbildfunktion im Umgang mit ihren Denkmälern vorschreibt.
Norderelbbrücke
Die östlich liegende Norderelbbrücke wurde zwischen 1926 und 1927 im Auftrag der Reichsbahn errichtet. Der moderne und funktionale Zweckbau ersetzte damals eine zu klein gewordene Vorgängerbrücke. Die Überbauten wurden stilistisch an die benachbarte Freihafen-Elbbrücke angelehnt und ebenfalls mit „Deutschen Bögen“ als Hauptträger errichtet. Die insgesamt viergleisige Brücke besitzt zwei westliche Gleise für den Güterverkehr, zwei östliche für den Personenverkehr und seitliche Stege für den Fußgängerverkehr. Die Norderelbbrücke ist die älteste erhaltene Bahnbrücke über die Norderelbe und in ihrer Dimension in Hamburg einzigartig. Sie steht unter Denkmalschutz aus geschichtlichen, stadtprägenden und ästhetischen Gründen. Darüber hinaus hat sie einen immensen ingenieurbaugeschichtlichen Wert: als herausragendes Zeugnis des Ingenieurbaus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie der Entwicklung des Stahlbrückenbaus in Deutschland und als Beleg ausgezeichneter bautechnischer Kenntnisse der Reichsbahn. Wie bei der zeitgleich entstandenen Sternbrücke in Altona wurde hier erstmalig hochfester Stahl verarbeitet.
Trotzdem kündigte die Deutsche Bahn 2022 an, dass sie auch die Norderelbbrücke abreißen will und beruft sich dabei auf eine Machbarkeitsstudie. Das Denkmalschutzamt hingegen verlangt die sorgfältige Prüfung von Sanierungsvarianten und den längerfristigen Erhalt des Denkmals. Die Diskussion zwischen der Bahn und dem Denkmalschutzamt läuft also. Auch wenn die Sanierung eine technische Herausforderung darstellen wird, sollte die Bahn alle möglichen Anstrengungen unternehmen, dieses bedeutende Brückenbauwerk zu erhalten.
Fotos: Fotografie Dorfmüller Klier, Kristina Sassenscheidt, Lisa Kosok