Das nachkriegsmoderne Bezirksamt Nord in Eppendorf steht schon länger im Fokus spekulativer Interessen. Nun wurde der Plan bekannt, dass die einstige Bücherhalle des renommierten Architekten Paul Seitz an der Lenhartzstraße durch ein Hochhaus ersetzt werden soll.

Geschichte des Bezirksamtes

Im Jahr 1951 wurde die einstige Einheitsgemeinde Hamburg dezentralisiert und in sieben Bezirke aufgeteilt. Um die neuen Verwaltungseinheiten unterzubringen, wurden in mehreren Bezirken Gebäudekomplexe errichtet. In diesem Zuge entstand auch in Eppendorf auf einem ehemals städtischen Schrebergarten-Gelände ein für damalige Zeiten modernes "Verwaltungs- und Dienstleistungszentrum". Dazu zählten die Schule Robert-Koch-Straße, die ehemalige Bücherhalle an der Lenhartzstraße (das heutige Kundenzentrum des Bezirksamtes), das ehemalige Kaufhaus Karstadt (am heutigen Marie-Jonas-Platz) und das Hochhaus an der Schottmüllerstraße (gebaut als Schwesternheim des UKE). Weitere Bauten wie ein Kaufhaus und zwei Kinos gibt es heute nicht mehr.

Das Bezirksamt selbst wurde zunächst in zwei Bauabschnitten (1953/54 und 1956/59) nach Plänen von Paul Seitz errichtet. Seitz war gerade als Erster Baudirektor und Leiter des Hochbauamtes nach Hamburg berufen worden und entwarf das Bezirksamt Nord unter Mitarbeit von Ursula Suhr. 1963 wurde ergänzend die ehemalige öffentliche Bücherhalle an der Lenhartzstraße errichtet. In seiner schlichten Form wurde der gesamte Komplex Vorbild für das öffentliche Bauwesen der Stadt Hamburg in den folgenden Jahren.

Architektur

Die Gebäude des Bezirksamtes sind als Stahlskelettkonstruktionen mit vorgehängten Fassaden aus hellgelben und weißen Steinen errichtet worden. Große Fenster und weitläufige Grünflächen sollten die Verbindung zwischen Innen und Außen verstärken und ein Erkennungszeichen öffentlicher Hamburger Bauten in den 1950er Jahren werden. Mit dem Bezirksamt Hamburg-Nord hat Paul Seitz ein qualitätsvolles Verwaltungsgebäude mit wegweisender Bedeutung für die nachfolgende Architektur geschaffen, das trotz einiger baulicher Eingriffe in seinen wesentlichen Merkmalen erhalten ist.

Die ehemalige Bücherhalle des Bezirksamtes, die heute als Kundenzentrum genutzt wird, brachte mit ihrer architektonischen Qualität zum Ausdruck, welchen Stellenwert eine breite gesellschaftliche Bildung in der Nachkriegszeit hatte. Paul Seitz entwarf einen eleganten, von gelben Ziegelwänden und Glasfronten geprägten Baukörper, der einen Gartenhof umschloss. Auch im Inneren zeigte sich ein hoher architektonischer Anspruch mit wertigen Materialien und lichten Räumen nach skandinavischem Vorbild.

Abrisspläne

Im Dezember 2023 schlug die grün-rote Bezirksregierung vor, die einstöckige, ehemalige Bücherhalle durch ein hohes Wohn- und Gewerbe-Gebäude zu ersetzen. Der heutige Bau steht jedoch aus gutem Grund als Teil des architektonisch bedeutsamen Bezirksamt-Ensembles unter Schutz. Jede Diskussion über einen Teilabriss verbietet sich daher. Es ist erschütternd, mit welcher Selbstverständlichkeit aktuell wieder einmal über die Zerstörung eines Denkmals und einen Verstoß gegen das Denkmalschutzgesetz nachgedacht wird. Das Gebäude sollte nicht nur bewahrt werden, sondern idealerweise auch seine ursprüngliche städtebauliche Qualität mit dem großzügigen grünen Vorplatz wiedererhalten.

Historisches Foto: Bücherhallen Hamburg
Fotos 2023: Klaus Kolb