2021

Seit 1982 hat es die blaue Cremonbrücke den Fußgängern ermöglicht, die sechsspurige Willy-Brandt-Straße (ehemals Ost-West-Straße) zu überqueren. Über viele Jahre wurde das markante Bauwerk nicht mehr gepflegt und schließlich abgerissen, obwohl es nach Ansicht vieler Fachleute denkmalwürdig war.

Die blaue Fußgängerbrücke über die Willy-Brandt-Straße wurde gestiftet von der südlich der Brücke ansässigen Bundesbank. Das Büro PSP Architekten (Pysall-Stahrenberg & Partner) entwarf die Brücke als sogenanntes "Sprengwerk" in Stahlbauweise. Seit ihrer Einweihung im Jahr 1982 stellt sie die einzige attraktive Möglichkeit dar, ohne Ampel die vielbefahrene Straße vom Hopfenmarkt zur Bundesbank zu queren. Die Brücke hatte sich zudem als beliebter Aussichtspunkt für Touristinnen und Touristen auf die Straße und umliegende Altstadt etabliert.

Seit 2019 steht die Brücke zur Disposition, u.a. weil die für den öffentlichen Raum in der Hamburger City einzigartigen Außen-Rolltreppen wartungsintensiv waren. Zudem wurde ein Neubau des heutigen "HOLCIM"-Bürogebäudes an der Willy-Brandt-Straße 69 an der Süd-Ost-Seite der Brücke geplant, der bei einem Abriss der Brücke deutlich weiter in den öffentlichen Raum hinein gebaut werden kann. Die verantwortlichen Projektentwickler wollten ursprünglich nur die Fassade erneuern und die Flächennutzung optimieren. Der Oberbaudirektor drängte jedoch darauf, gleich das ganze Gebäude abzureißen und mit einer anderen Ausrichtung neu zu bauen, um damit den Stadtraum anders einzufassen und zugleich den Hopfenmarkt aufzuwerten - der von dem geplanten Neubau allerdings durch die sechsspurige Willy-Brandt-Straße getrennt ist.

Im Sommer 2019 entwarf die Designerin Ulrike Krages verschiedene Farbvarianten für die Brücke und stellte sie gemeinsam mit dem Denkmalverein vor. Eine große öffentliche Debatte begann, und an mehreren sommerlichen Freitagabenden trafen sich zahlreiche Hamburgerinnen und Hamburger zu "Cornern auf Crémant"-Treffen auf der Brücke, um für den Erhalt zu demonstrieren. Selbst ein rollstuhlfahrender Brückenfan ließ sich regelmäßig auf die Brücke helfen, um die Qualitäten dieses besonderen Stadtraumes zu genießen und zu zeigen, dass mangelnde Barrierefreiheit kein Grund ist, diese charaktervolle Brücke nicht zu lieben.

Der Denkmalverein hat immer für eine Erhaltung und Sanierung der Brücke plädiert, deren markante Architektur ein qualitätvolles Stück Hamburger Baugeschichte darstellte. Auch bei einer möglichen Verkleinerung der Straße hätte die Brücke ihren eigenen Wert und ihre Funktion gehabt - als ampelfreie Querung und Aussichtsort, als architektonische Skulptur, als Zeugnis ihrer Zeit und Teil des denkmalwürdigen Gesamt-Ensembles aus Bundesbank und Brücke. Ihr Verlust ist daher als ein großer städtebaulicher und baugeschichtlicher Verlust zu werten.

Historische Fotos und Zeichnungen: Archiv Dietrich Fischer
Aktuelle Fotos: Fotografie Dorfmüller | Klier, Marco Alexander Hosemann, Kristina Sassenscheidt
Visualisierungen: UK2 Urban Architecture