In der Großen Freiheit 73/75 stehen zwei historische ehemalige Mennonitenhäuser mit einer bewegenden Geschichte. In den 1980er Jahren wurden sie durch eine Initiative junger Hamburgerinnen und Hamburger vor dem Abbruch gerettet. Sie gründeten in der Folge das Wohnprojekt "Große Freiheit e.V.", das die Gebäude mit bemerkenswertem Respekt vor der historischen Substanz und ihren Geschichtsspuren sanierte und sie bis heute bewohnt.

Die Geschichte dieser Gebäude beginnt im Jahr 1601, als Altona noch eine eigenständige Stadt vor den Toren Hamburgs und Teil des Dänischen Königreichs war. Als Ausdruck seiner religiösen Toleranz legte der herrschende Graf Ernst zu Holstein-Schaumburg ein Gebiet fest, in dem er die Religions- und Gewerbefreiheit ausrief. Es lag zwischen den Straßen Kleine Freiheit und Große Freiheit im heutigen Stadtteil St. Pauli. Während die Stadt Hamburg nur den lutherischen Glauben zuließ, konnten hier alle Religionen ihrem Glauben nachgehen und zunftfreie Handwerker ihre Tätigkeiten ausüben.

Trotzdem dauerte es noch bis 1675, ehe die mennonitische Gemeinde, die schon um 1575 aus den katholisch geprägten Niederlanden nach Altona geflohen war, hier ihre erste, noch hölzerne Kirche baute. Diese wurde aber bei dem sogenannten "Schwedenbrand" während des Großen Nordischen Krieges 1713 zerstört, und so baute die Gemeinde 1715 eine neue Kirche, diesmal aus Stein. Wie auch bei vielen anderen religiösen Minderheiten zu dieser Zeit war die Angst vor einer offenen Religionsausübung so groß, dass die Gotteshäuser immer etwas von der Straße zurückgesetzt errichtete wurden. Dies ist z.B. auch bei der Tempelruine der liberalen jüdischen Gemeinde in der Poolstraße zu sehen. Die Kirchengebäude lagen geschützt in den Innenhöfen hinter der ersten Straßenlinie. Direkt an der Straße errichteten die Mennoniten 1772 das Pfarrhaus (Große Freiheit 75) und 1850 dann das Gemeindehaus (Große Freiheit 73).

Ursprünglich bestand das Gemeindehaus aus zwei Seitenflügeln mit einem Durchgang zur Kirche. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche komplett zerstört und auch die Gebäude erlitten Schäden. Im Inneren sind noch die drei großen Rundbögen erkennbar, die den früheren Durchgang erkennen lassen.

Nachdem sich die Große Freiheit zusehends zu einem Amüsierviertel entwickelte, verkauften die Mennoniten die Gebäude schließlich an die Stadt Hamburg und weihten 1915 ihre neue Kirche in Altona-Nord ein. Zu Beginn wurden die alten Gebäude noch als Kriegsküche genutzt und später dann von der Stadt an die Großstadt-Mission übergeben, die aus ihnen einen Kinderhort machten. In dieser Zeit wurden die ehemaligen Flügelgebäude der Nr. 73 aufgestockt und der mittlere Teil in den Hof zur Kirche hin erweitert, bis sie schließlich ihre heutige Kubatur erhielten.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Häuser von der SAGA verwaltet und zu Wohnungen mit Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss umgebaut. Umbaupläne für die benachbarte Pestalozzischule und deren städtebaulicher Anschluss an die Sportplätze führten dann aber zum Leerstand und zunehmendem Verfall der Mennonitenhäuser. Um 1985 beauftragte die SAGA ein Gutachten, das den Zustand der Gebäude beurteilen sollte und feststellte, dass die Standsicherheit nicht mehr gegeben sei. Daraufhin beauftrage das Denkmalschutzamt ein Gegengutachten, das diese Aussage widerlegte.

Unterstützt von einem breiten bürgerlichen Engagement gelang es schließlich einer Gruppe junger Menschen in Zusammenarbeit mit der STATTBAU Hamburg Stadtentwicklungsgesellschaft mbH und im Rahmen und mit Mitteln der „Alternativen Baubetreuung“, die Stadt von einem neuen Wohnkonzept zu überzeugen, das nur minimale Änderungen am Bestand erforderte. Im Jahre 1989 wurden die Gebäude unter Denkmalschutz gestellt, und nach weiteren Verhandlungen konnte im selben Jahr ein Erbpachtvertrag über 50 Jahre mit dem Wohnprojekt Große Freiheit e.V. geschlossen werden. Die nötige Finanzierung wurde durch Bildung einer Leihgemeinschaft mit Unterstützung der GLS Bank aufgebracht. Eine der Auflagen des Erbpachtvertrages war unter anderem die Denkmalinstandsetzung und -haltung.

Das umfangreiche Sanierungskonzept enthielt einen hohen Anteil an Eigenleistung und machte damit das Selbsthilfeprojekt finanziell möglich. Dabei wurde möglichst viel historische Substanz erhalten: Aus einzelnen Räumen wurden beispielsweise die Reste barocker Fußleisten zusammengesammelt, um sie in einem Raum wieder vollständig herstellen zu können. In einem der Räume konnte eine kassettierte Holzdecke mit kleinen Tannenzapfen in den Kreuzungspunkten erhalten werden. Zwischen den Türzargen und dem Mauerwerk fanden sich sogar noch alte Zeitungen mit dem französischen Revolutionskalender. Einige alten Elemente, die im Zuge der Umbauten zunächst keine Verwendung fanden, wurden sorgfältig eingelagert.

Um die 20 Menschen leben und arbeiten bis heute gemeinsam in und an diesen Gebäuden und teilen sich eine Gemeinschaftsküche. Der alte Gasherd aus dem Jahr 1968 funktioniert noch immer. Es wechseln immer mal wieder einzelne Bewohnende, und auch ein paar Kinder sind inzwischen Teil der Gemeinschaft. Das Projekt ist für den Denkmalverein ein herausragendes Beispiel für eine alternative und ressourcenschonende Wohnform, die dem Denkmal einen sehr sinnvollen Nutzen gibt und seinen Bestand langfristig sichert.

Fotos: Wohnprojekt Große Freiheit e.V., Kim Schröder