Als im Dezember 2014 die Sanierungsarbeiten an der kleinen Friedhofskapelle am Finkenwerder Landscheideweg begannen, strahlte das Gebäude nicht mehr viel Frieden und erst Recht nicht Besinnlichkeit aus.
Eingeschlagene Scheiben, kreativ abgedeckte Fenster, Feuchtigkeit in Teilen der Bausubstanz und eine große Anzahl an Graffitis prägtenden kleinen Klinkerbau mit seinem T-förmigen Grundriss. Begräbnis- und Trauerzeremonien fanden hier schon seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr statt. Etwas weiter östlich liegt seit 1952 der Neue Friedhof Finkenwerder, der eine deutlich größere Kapelle besitzt. Seit ihrem Bau wurde die kleine Kapelle auf dem alten Friedhof nur noch als Gartenschuppen genutzt. Einige Bewohner der Elbinsel forderten daher bereits, dass der „Schandfleck“ abgerissen werden sollte. Dabei steckte in der kleinen Kapelle so viel mehr, als es ihr verwahrloster Außen-Eindruck glauben ließ.
Wenn man von Westen aus in Richtung Friedhof geht, läuft man zunächst auf eine Prunkpforte aus Holz zu, die mit ihrem weißen Anstrich und mit einem Spruchband verziert an die Hoftore aus dem benachbarten Alten Land erinnert. Schreitet man durch die Pforte, sieht man am Ende des Friedhofs den schlichten Klinkerbau. Der Friedhof selbst wird seit Mitte des 19. Jahrhunderts von den Bewohnern des nördlichen Finkenwerders genutzt. 1927 entwarf Fritz Schumacher eine eigene, städtische Begräbnisstätte, so dass man nicht mehr auf den Friedhof im Süden der Insel angewiesen war, der zu Lüneburg gehörte. Trotz der bescheidenen Größe des Bauwerks ist die Handschrift Schumachers deutlich erkennbar: Typisch für den Architekten ist der rote Klinker in Verbindung mit den weißen Fensterrahmen und der Mauerwerksverband mit seinen kunstvollen Details, wie z.B. unter dem leicht geschweiften Steildach.
Dass dieser wenig bekannte Fritz Schumacher-Bau nicht weiter verwahrloste oder gar abgerissen wurde, ist der örtlichen Politik und dem 2013 novellierten Denkmalschutzgesetz in Hamburg zu verdanken: Die Kapelle, die bereits auf dem „Verzeichnis der erkannten Denkmäler“ stand, wurde damit wie alle bis dato nur erkannten Denkmäler zum eingetragenen Denkmal und der Abriss vorerst aufgehalten. Noch entscheidender war es aber, dass das öffentliche Interesse am Erhalt der Kapelle erwachte und sich die Bewohner Finkenwerders Helmke und Peter Kaufner für den Erhalt und die Sanierung einsetzten. Auf eigene Initiative recherchierten sie im Staatsarchiv und fanden dort die originalen Baupläne von Schumacher. Damit begannen auch die ersten Überlegungen und später konkrete Planungen zur Sanierung der Kapelle unter der Leitung des Architekten Heiko Donsbach, die der Bezirk Hamburg Mitte finanzierte. Die denkmalgerechte Sanierung begann 2014. Marode und kaputte Klinker wurden ausgetauscht, ebenso die durch die Flut und Witterung beschädigten Holztüren. Die von Moos bedeckten Dachziegel und die Graffitis, die die Außenwände zierten, wurden mit einer Hochdruckpumpe gereinigt.
Eine besondere Entdeckung gab es beim Entfernen des weißen Putzes am inneren Türrahmen: Der Blauton, der dabei Stück für Stück erschien, hatte ein Muster. Die gold-braunen Ornamentlinien, die den in verschiedenen Dunkelblau-Tönen ausgeführten Türrahmen zieren, stammen noch aus den Originalplänen von Fritz Schumacher.
Heute dient die Kapelle als Domizil für die Finkenwerder Geschichtswerkstatt, die den Bewohnerinnen und Bewohnern der Elbinsel ehrenamtlich Veranstaltungen anbietet. Unter anderem finden regelmäßig Rundgänge zur Erkundung der Ortsgeschichte während der Nazi-Diktatur statt. Dabei hat die Geschichtswerkstatt bereits mit allen Schulen in Finkenwerder zusammengearbeitet. Außerdem erinnert die Geschichtswerkstatt an im Ort verstorbene Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter des zweiten Weltkrieges, die auf diesem Friedhof anonym in einem Massengrab verscharrt wurden. Im Innenraum der Kapelle finden regelmäßig Ausstellungen und Veranstaltungen statt. Darüber und über die Öffnungszeiten wird unter dem Link (s. unten) informiert.
Fotos: Antipas Papageorgiou
Entwurfsskizze: Fritz Schumacher (1926), Staatsarchiv Hamburg