Wenige Orte in Hamburg haben eine kontrastreichere Geschichte als dieser: Als preußische Militärkaserne errichtet, die lange von Hierarchien und Soldatendrill geprägt war, ist die genossenschaftlich verwaltete Immobilie heute ein selbstverwalteter Ort für Kunst, Kultur und Gestaltung, Gewerbe und Bildung, kleine Firmen sowie soziale Organisationen. Die Zukunft des Gebäudes stand jedoch zeitweise auf der Kippe...
Der Ursprung als preußische Militärkaserne
In den Jahren 1878 bis 1883 ließ das Königreich Preußen für das 31. königlich-preußische Infanterie-Regiment Graf Bose die „Neue Caserne“ errichten. Die Anlage befand sich im heutigen Stadtteil Altona-Nord und verlief auf dem Gebiet zwischen Haubach-, Eggerstedt-, Bodenstedtstraße und Zeiseweg. Rund um einen großen Exerzierplatz waren damals drei Kasernenblöcke, mehrere Funktionsgebäude wie die Wäscherei und Fahrzeugremisen, ein Speisehaus und ein Kasino für Offiziere, eine Exerzier- und eine Reithalle, ein Pferdestall sowie eine Arrestanstalt angeordnet.
Das, was heute als ehemalige Viktoria-Kaserne bezeichnet wird, ist das letzte erhaltene der ursprünglich drei Kasernengebäude. Der damalige Block 3 war vor allem Regimentsunterkunft: In Sälen für sechs bis zwanzig Mann schliefen die einfachen Soldaten, Unteroffizieren standen größere Gemeinschaftsräume im Ost- und Westturm zur Verfügung. Für Offiziere gab es hier sogar eigene Wohnungen. Im Kellergeschoss waren die Speisesäle für Mannschaft und Unteroffiziere untergebracht, in den Turmflügeln befanden sich Räumlichkeiten wie die Küche, Schneiderei oder Heizung. Ganz oben waren Trockenräume für die Wäscherei eingerichtet, die zusätzlich zu den Trockenwiesen (heute: Goldbachstraße 5) verwendet wurden. Nach dem Ersten Weltkrieg bezog die Altonaer und Hamburger Polizei die Kaserne, von 1923 bis 1937 befand sich hier das Polizeipräsidium Altona-Wandsbek.
Nationalsozialismus und Nachkriegszeit
Von März 1933 bis Februar 1935 hatte die Gestapo Schleswig-Holstein ihren Sitz im Hauptgebäude der Kaserne an der Herderstraße (heute: Haubachstraße). Weiter westlich davon wurden politische Gefangene inhaftiert, Jüdinnen und Juden festgehalten und deportiert.
Das heute noch erhaltene Gebäude diente dem Reichszollamt ab 1934 als Technische Prüf- und Lehranstalt. Dafür wurden Umbauten an Block 3 durchgeführt, um im heutigen Ostflügel Ausbildungsräume für angehende Zöllner zu schaffen. Von 1937 bis 1945 war hier zudem das Polizeiamt Altona der Hamburger Polizei untergebracht. 1943 erlitten alle Kasernenblöcke Kriegsschäden, die 1948 wieder instandgesetzt wurden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg diente die Kasernenanlage als Unterkunft für Geflüchtete und Obdachlose, als Polizeischule und als Wohnlager. 1977 wurden die Kasernenblöcke 1 und 2 abgerissen und durch Wohnbauten in der Haubach- und Walter-Kunze-Straße ersetzt. Block 3 nutzte die Hamburger Polizei bis 1986 als Unterkunft und Fuhrparkzentrale mit Werkstätten, auch Zöllner:innen wurden hier weiter ausgebildet. Ab 1984 beherbergte die ehemalige Viktoria-Kaserne außerdem ein Labor und Büroräumlichkeiten des Instituts für Meeresbiologie der Universität Hamburg. Ihren Namen hat sie übrigens von der Viktoriastraße, die im 19. Jahrhundert im Osten an die Kaserne grenzte (heute: Eggerstedtstraße). Wo sich heute die Kindertagesstätte befindet, stand von 1952 bis 2010 ein Erweiterungsbau, der vollständig rückgebaut wurde.
Einzug Frappant e.V., Denkmalschutz und Gründung der Genossenschaft fux eG i.G.
Der Verein Frappant e.V. gründete sich 2009 als Zusammenschluss der Ateliergemeinschaft Forum Altona und der Gruppe SKAM (Schöne Kunst allen Menschen), die gemeinsam die oberen Stockwerke des Frappant-Gebäudes in der Großen Bergstraße bezogen, wo heute IKEA Altona steht.
2009 kaufte IKEA den Frappant-Komplex und kündigte dem Verein. Bürgerinitiativen („Kein Ikea Altona“, Zusammenschluss Lux & Konsorten) und Proteste gipfelten in der friedlichen „Recht auf Stadt“-Parade im Dezember 2009. Auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten brachte die Stadt die frühere Militärkaserne ins Spiel und am 1. März 2010 zog Frappant e.V. ein. Als die Finanzbehörde rund eineinhalb Jahre später einen Veräußerungswillen publik machte, entwickelten Frappant und Lux & Konsorten gemeinsam ein Übernahmekonzept. 2011 schließlich erhielt der frühere Block 3 Denkmalstatus, 2013 fusionierten Frappant und Lux zur fux eG und kauften der Stadt Hamburg 2015 Gelände und Gebäude ab.
Heute nutzen über 250 Mitglieder der fux-Genossenschaft die denkmalgerecht sanierten Räumlichkeiten als Atelier, Büro, Friseursalon, Lokal, Schneiderei, Tonstudio, Werkstatt, Umsonstladen und noch vieles mehr - so wie auch der Denkmalverein hier sein Büro für Veranstaltungen, Vorstandssitzungen oder AG-Treffen hat.