In Neuenfelde wird trotz heftigem Protest aus der lokalen Politik voraussichtlich ein bedeutendes Stück deutscher Werftgeschichte verlorengehen: Die vier letzten Krane der Sietas-Werft werden weiter abgebaut, obwohl sie am 18. September 2024 als Teil des Werft-Ensembles unter Denkmalschutz gestellt wurden. Am 23. September gab die Kulturbehörde überraschend bekannt, dass der Denkmalschutz für die Krane aufgehoben wird, um den Eigentümer nicht zu schädigen. Erhalten bleiben soll nur der markante Juchu-Portalkran - wobei auch dessen Zukunft noch nicht gesichert ist.

1635 gegründet zählte die Sietas-Werft zu den ältesten Werften Deutschlands. Die Krane und insbesondere der Portalkran sind eine Landmarke am südlichen Elbufer und ein weithin sichtbares Dokument der Industrialisierung des sonst ländlich geprägten Stadtteils Neuenfelde. Seit der Insolvenz der Werft 2021 ist das technische Erbe jedoch bedroht: Neben den Maschinen und Anlagen wurden auch die Krane der Werft verkauft. Von den ursprünglich 14 Kranen sind im Jahr 2024 nur mehr vier Kaikrane sowie der Portalkran „Jucho“ erhalten. Die Stadt Hamburg bemüht sich aktuell um einen Ankauf des Werftgeländes. SPD und Grüne aus Neuenfelde und der Denkmalverein haben sich in der ersten Septemberhälfte 2024 intensiv dafür eingesetzt, dass die Krane weiterhin industriell genutzt und vor der Demontage bewahrt werden.

Ermiya Ciger (Vorsitzender der SPD Neuenfelde) führt dazu aus: „Wir haben hier in Neuenfelde Unternehmen, die diesen Industriestandort am Leben halten, die auch auf diese Kaikräne und den Jucho-Portalkran angewiesen sind, wenn diese jetzt abgebaut werden, wirft das den Industriestandort Neuenfelde um Jahre zurück.“ Von den verbliebenen vier Kaikranen befinden sich bereits drei im Demontagezustand und zwei davon sogar im fortgeschrittenen Abbaustadium, obwohl sie das Ortsbild seit Jahrzehnten prägen. Diese letzten Spuren von 400 Jahren Schiffbau in Neuenfelde verschwinden zu lassen, sei definitiv nicht der richtige Umgang mit der Geschichte dieses Stadtteils und der ganzen Region, so Ciger.

Die Grüne Bürgerschaftsabgeordnete Dr. Gudrun Schittek ergänzt: „Sowohl die Hafenkräne, als auch der Portalkran Jucho sind unverzichtbar für die zukünftige industrielle Nutzung des Werftgeländes der ehemaligen Sietas Werft. Ohne die Kräne können Güter nicht über den Wasserweg, über Este und Elbe verschifft werden. Bereits jetzt ist die Firma EPS auf dem Werftgelände dringend auf die Kräne angewiesen.“ Der Grund dafür sei, dass ein Teil der Schwerguttransporte nicht über die Straße abgewickelt werden könne, sondern ausschließlich über Wasser. Um auf dem ehemaligen Werftgelände Arbeitsplätze schaffen zu können, müssten sowohl die Kaikrane als auch der Portalkran erhalten bleiben. Außerdem sei die Verkehrsbelastung in Neunefelde, Francop und Cranz durch den Durchgangsverkehr in Richtung Airbus und Hafen bereits jetzt überlastet. Der zusätzliche LKW-Güterverkehr, der aufgrund der Kranabbauten aufkäme, sei laut Dr. Schittek für die Region unzumutbar.

Nachdem die Kulturbehörde das Sietas-Ensemble am 13. September 2024 mit einem Jahr Verspätung unter Schutz gestellt hatte, musste sie am 23. September überraschend bekannt geben, dass der Denkmalschutz für die vier Liebherr-Krane doch wieder aufgehoben werden soll: Der Eigentümer sei für Verkauf und Abtransport bereits langfristige Verpflichtungen eingegangen und würde durch einen Verbleib der Krane auf dem Gelände einen zu großen wirtschaftlichen Schaden erleiden.

Es ist bitter, dass die Krane nun doch nicht gerettet werden, weil die Behörde zu lange mit der Unterschutzstellung gewartet hat. Das ist ein großer Verlust für Hamburgs Industriegeschichte, und es zeigt, dass der Denkmalschutz in Zukunft deutlich schneller und offensiver auftreten muss. Es bleibt zu hoffen, dass wenigstens der Portalkran als weithin sichtbare Landmarke einer der ältesten Werften Deutschlands erhalten bleibt.

Fotos: Ermiya Ciger