Die denkmalgeschützte Staatsoper ist seit bald 200 Jahren ein Fixstern der Innenstadt: als die weltliche Hamburger Institution, die am längsten an ihrem heutigen Ort ansässig ist, als eines der Hauptwerke der Nachkriegsmoderne in Hamburg und darüber hinaus sehr gut erreichbar mit dem öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Im Mai 2022 verkündete jedoch der in der Schweiz lebende Milliardär Klaus-Michael Kühne, er wolle seiner Heimatstadt ein neues Opernhaus bauen, und zwar direkt am Wasser in der HafenCity. Da stellt sich doch die Frage: Wollen die Hamburgerinnen und Hamburger das eigentlich? In einer neuen Online-Petition formiert sich Widerstand.

Baugeschichte

Den Ausgangspunkt für das Haus am Dammtor bildete die 1678 gegründete Oper am Gänsemarkt. Etwa 150 Jahre später legte der Entwurf von Carl Ludwig Wimmel den Grundstein für den heutigen Standort der Hamburger Staatsoper, die 1827 direkt um die Ecke am Dammtor erbaut wurde. Der spätere Rathausbaumeister Martin Haller erweiterte den Ursprungsbau im Jahr 1874 um eine klassizistische Fassade mit Säulen und Portikus. In den 1920er Jahren entstand der expressionistische Bühnentrakt des Architekturbüros Distel & Grubitz, der die Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs unbeschadet überlebte und heute noch in den Seitenfassaden zu erkennen ist (siehe Bildergalerie). Der vordere Teil des Gebäudes wurde jedoch zerstört und so entstand 1955 das neue Zuschauerhaus des Architekten Gerhard Weber, das heute zu den prägendsten Baudenkmälern dieser Ära in Hamburg zählt. Möglich wurde der Wiederaufbau nur durch großzügige Spendensammlungen in der Hamburger Bürgerschaft, initiiert durch den Hamburger Unternehmer Alfred Toepfer. So zeugt das elegante Gebäude als Institution bis heute von dreieinhalb Jahrhunderten bürgerlichen Engagements.

Auf einer Fläche von 8.500 Quadratmetern bietet die Staatsoper eine hervorragende Akustik für über 1.600 Besucher:innen pro Vorstellung. Gute Sicht von fast allen Sitzplätzen versprechen die gestaffelt hängenden Logen. Im Inneren beherbergt das Haus zudem drei große Probebühnen, einen Probesaal für das Philharmonische Staatsorchester sowie einen Chor- und Ballettprobensaal. Außerdem sind direkt vor Ort die Werkstätten der Kostümschneiderei, der Maskenbildnerei, der Rüstmeisterei und der Hutmacherei untergebracht genauso wie Büro- und Aufenthaltsräume.

Aktuelle Situation

Im Frühsommer 2022 verkündete überraschend der Schweizer Milliardär Klaus-Michael Kühne der Presse, seine Stiftung wolle der Hafenstadt gemeinsam mit dem mittlerweile insolventen René Benko als Investor eine neue Oper bauen. Ganz uneigennützig wäre dieses „Danaergeschenk“, wie es der Vorsitzende der Alfred-Toepfer-Stiftung F.V.S. im selben Jahr gegenüber dem Hamburger Abendblatt treffend bezeichnete, aber nicht: Im Gegenzug für den oktroyierten Neubau wollte Kühne das Kulturdenkmal selbst abreißen und die zentrale Adresse an der Dammtorstraße 28 für ein eigenes Projekt nutzen. Der zu erwartende Protest unter anderem vom Denkmalverein blieb nicht aus, und es wurde schlagartig wieder still um die Opernpläne. Mittlerweile sickerte übrigens durch, dass die Stadt die Kosten für einen Neubau mindestens zur Hälfte selbst tragen müsste.

Auf eine Schriftliche Kleine Anzeige von Norbert Hackbusch (DIE LINKE) über den aktuellen baulichen Zustand vom 12. Dezember 2024 hieß es, dass das Gebäude grundsätzlich sanierungsbedürftig sei in Hinblick auf Schall- und Brandschutz, Trink- und Löschwassersystem, Technik sowie Schadstoffbelastung. Das abschließende Schadstoffgutachten lässt allerdings noch auf sich warten – seit dem Jahr 2019. Logistikunternehmer Kühne kritisiert das für die 1950er Jahre üblicherweise verbaute Asbest in der Staatsoper zwar zu recht, allerdings sind die Fasern sind materialgebunden und Asbestsanierungen daher bereits Routineaufgaben beim Bauen im Bestand.

Es wäre weder baukulturell noch finanziell zu verantworten, das zentral gelegene Haus einer unklaren Zukunft zu überlassen und stattdessen für viel Geld einen Neubau an den Südrand der HafenCity zu stellen. Deswegen fordert der Denkmalverein, das Gebäude an seinem traditionsreichen Standort weiterhin als Hamburgische Staatsoper zu nutzen. Die Öffentlichkeit muss sowohl über den aktuellen Sanierungsbedarf des Gebäudes als auch über die Gesamtkosten eines möglichen Neubaus informiert werden, die voraussichtlich weit über den von Kühne angekündigten 330 Mio. € liegen werden. Eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit ist die Voraussetzung für jede weitere mögliche Konsequenz. 2027 würde die Oper ihr 200-jähriges Bestehen am Dammtor feiern. Bleibt zu hoffen, dass dann von den Neubauplänen nichts als großes Theater bleibt.

Stich bzw. Lithographie: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg
Historische Postkarten: Archiv Jürgen Bönig
Historisches Foto: Georg Koppmann
Fotos Aussenfassade: Fotografie Dorfmüller Klier
Details Außenfassade: Kristina Sassenscheidt
Fotos Foyer: Heinz Brossolat
Foto Zuschauerraum: Andreas Praefcke CC